Oh William - von Elisabeth Strout

Entspannt, tiefgründig und sanft

Elizabeth Strout erzählt - in aller Ruhe. Man weiß eigentlich gar nicht so genau, warum man immer weiterliest. Da ist kein so viel zitierter Spannungsbogen. Aber dennoch möchte man ihr weiter zuhören. Denn genau dieses Gefühl entsteht beim Lesen: Ihr zuzuhören, wie sie erzählt. Aus ihrem Leben. Von ihrem Exmann William. Liebevoll und mit so viel Behutsamkeit und Respekt.

Sie bewegt sich mit Leichtigkeit von Thema zu Thema, ergänzt etwas, schiebt eine bestimmte Erinnerung dazwischen, oder es kommt ihr ein Gedanke, der unbedingt auch noch erwähnt werden muss. Man hat das Gefühl, ihren Gedanken zu folgen, die nicht linear sind. Trotzdem baut sich die Geschichte im Zusammenhang auf, gewinnt an Tiefe und zieht in den Bann.

Wir erfahren von kleinen, alltäglichen Geheimnissen, die es in jedem Leben, jedem Alltag und jeder Ehe gibt. Wir erleben tiefe Vertrautheit und auch dieses Augenverdrehen, weil man die Schwächen des anderen so gut kennt und sich nie etwas daran geändert hat.

Auch bei Lucy und William scheint es, als hätte sich nichts geändert. Als würden sie ihre Ehe nach dem Verlust ihrer beiden neuen Partner einfach fortführen. Manchmal hat man das Gefühl, die beiden kennen sich zu gut. Dann wieder wird eine Verlorenheit fühlbar, aus der sie fast nicht wieder zusammenfinden.

Hinter allem die vordergründig geliebte Mutter von William, die hintergründig sein Leben dominiert hat und auf deren Spuren sich beide in einer Art Roadtrip bewegen.

Eine Geschichte, zu der man jederzeit zurückkehren und die man jederzeit verlassen kann, denn sie erzählt in leicht aneinandergereihten Erinnerungs-Episoden. Sie fühlt sich an, wie ein nachdenkliches Gespräch zwischen guten Freunden, das hier und da davon unterbrochen wird, dass man sich noch ein Glas Wein oder eine Schale Oliven holt.

Ein Buch voller schnörkelloser Menschlichkeit.

Elisabeth Strout
Oh William
ISBN 978-3630875309
Luchterhand Literaturverlag 2021