Tag 2 – Jakob und das Meer

Gestern Abend war für mich um neun Uhr Ende im Gelände. Fensterchen auf, Licht aus. Ich habe nicht soooo gut geschlafen, aber doch mehr als ich erwartet hatte. Und was wirklich ganz wunderbar wohlgetan hat, war die frische Seeluft, die hereingeweht ist.

Heute Morgen beim Hotelfrühstück Sinatra-Jazz für schon leicht Hör-Beeinträchtigte. Aber der Kaffee war lecker und das gekochte Ei perfekt. Danach den Strand entlang zum Einkaufen gegangen. Das wird schon noch irgendwie mit der Erholung.

Wieder in meinem Zimmerchen schuf ich mir eine Tagesstruktur. Ich will nicht ins Blaue hineinschreiben bis mir das Gehirn abraucht – was typisch für mich wäre, wenn mich niemand stört.

Dann der feierliche Moment: Ich setzte  mich zum Schreiben an den Rechner. Tief Luft holen und go!
Und es funktionierte! Jakob, dieser merkwürdige Junge, der anderen Leuten in die Fenster schaut, begann endlich zu leben.

Anfänge von Geschichten fallen mir meist besonders schwer. Ich bin noch nicht im Fluss, alles fühlt sich etwas hölzern an. Dabei ist der erste Satz einer Geschichte meiner Ansicht nach enorm wichtig. Ich finde, ich habe einen guten allerersten Satz gefunden:

„Jakob hatte eine Vorliebe für Unberechenbares.“

Bis zum Mittag hatte ich mir drei Mal meinen Timer auf eine Stunde gestellt. Diesen Etappen hatte ich vorher konkrete Inhalte meines ersten Kapitels zugeordnet. Und ich kenne mich anscheinend schon gut, denn die Zeit kam jedes Mal hin. Wenn eine Stunde um war, stand ich auf, öffnete die Balkontür (wunderte mich wirklich jedes Mal – huch – über das blaue Meer in nächster Nähe) und atmete draußen eine Weile durch.

 

Um 13 Uhr hatte ich meine komplette Einleitung fertig, und schon den Beginn der eigentlichen Handlung: Brida zog in die Villa ein.

Es fehlten für heute noch das Auftauchen von Franzi und ihrer Mutter und die denkwürdige erste Begegnung zwischen Jakob und Franzi.

Ich war richtig erleichtert, als ich mich gegen halb zwei nach draußen aufmachte. Mittagspause! Mindestens eine Stunde Strandwandern, mir den Kopf freipusten lassen. Das Wetter war dafür mehr als geeignet. Acht Grad, sonnig und etwas Wind.

Ich lief und lief auf dem schmalen Stück nassem Sand, der fest genug zum bequemen Gehen ist und wo die Schuhe immer so gerade den schwappenden Wellen entkommen. Ich hätte mehrere Stunden bis zum Darßer Leuchtturm gehen können, aber natürlich kehrte ich rechtzeitig um. Wind im Rücken und Sonne im Gesicht. Das Beste ist aber ganz klar dieses ewige Wellenrauschen. Das ist eins der schönsten Geräusche der Welt (nur knapp getoppt vom nächtlichen Ruf eines Uhus, by the way).

Ein bisschen Obst und Joghurt und um drei stellte ich wieder meinen Timer an. Die Zeit verflog, während sich Franzi und Jakob kennenlernten und ich diese wichtige Szene mit viel wörtlicher Rede bestückte. Dazwischen wieder eine stille Viertelstunde Balkon-Sonnenpause.

In diesen Pausen checke ich bewusst nicht mein Handy. Foren- und Social Media-Zeit lege ich komprimiert in den Morgen, sonst bringt mich das zu sehr raus. Es fällt mir noch schwer, einfach nur irgendwo zu sitzen. Auf einer Bank auf der Düne oder eben auf meinem kleinen Balkon. Ich muss mich daran gewöhnen. Mein Gehirn braucht das.

Und immer wieder, wenn ich aus meinen Schreibgedanken regelrecht aufwache, sehe ich draußen – huch – das Meer.

 

Am späten Nachmittag waren tatsächlich zehn Seiten geschrieben und mein erstes Kapitel fertig.

„Fertig“ bedeutet in diesem Fall, dass die Handlung ausformuliert ist. Sprachlich werde ich noch ganz viel nacharbeiten. Das eine oder andere wird sich vielleicht mit der kommenden Handlung noch rückwirkend ändern. Aber es ist ein richtiges, vollständiges Kapitel. Wow!

Für die Rückkehr in die Realität laufe ich eine Weile barfuß durch die Ostseewellen. 5 Grad hat das Meer und macht mich frisch genug, um noch den Blog für heute zu schreiben.

Die Sache hier beginnt Spaß zu machen. Der heutige Testlauf zeigt mir, dass es möglich ist. Und nicht nur das. Es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ein totaler Genuss.