Tag 7 – Brida und die Pferde

Heute habe ich das 5. Kapitel geschrieben. Der Zenit meiner Geschichte ist überschritten. Ich beginne, einerseits auf das Crescendo, die hohe Spannung hinzuarbeiten und andererseits schon die Lösungen der ersten Geheimnisse zu offenbaren. 

Brida ist heute meine Protagonistin und sie segelt gleichsam unter Sturm in einen sicheren Hafen. Vorerst. Vermutlich. Man weiß es nicht. 

Franzi und Jakob haben derweil merkwürdige Dinge zu tun und da ist diese unbekannte Valerie, die einfach nicht sagt, was mit ihr los ist.

Es ist ein bisschen tricky mit der Handlung, denn jedes Kapitel wird ja aus Sicht nur einer Person geschrieben. Brida kann also nicht wissen, was die beiden Teenager auf dem Dachboden suchen. Der Leser, der aber aus dem 2. Kapitel genau weiß, was sie suchen, hätte jetzt bitte gerne einen Fortschritt dieses Handlungsfadens. 

(Woher die Drosophila innerhalb von zwei Minuten wissen, dass ich mir ein Glas Wein eingeschenkt habe, bleibt mir wiederum ein Rätsel.)

Und wo wir schon bei den ganz praktischen Dingen sind: Ich habe hier einen krassen Bewegungsmangel. Eine Yogaeinheit am Morgen reicht da nicht. Deshalb habe ich mich, beim wieder illustren Frühstück (dieses Mal waren wir nur neun am Tisch), angeboten, der Jahrespraktikantin heute beim Mistsammeln zu helfen. Haaa, haaa – das ist eigentlich eine der Tätigkeiten, deren Unterlassen ich in diesen zwei Wochen genießen wollte. Aber egal. Hier sind es zwölf Pferde anstatt drei Esel und da sammelt man Mist mit Schneeschiebern und Baggerschaufeln. 

So hatte ich um drei Uhr Nachmittags eine kleine Bewegungstheapie, die auch wirklich Spaß gemacht hat. Die Nähe von zufriedenen Tieren ist immer bereichernd.

 


Danach konnte ich mich gar nicht von der Sonne trennen und saß müßig auf meiner kleinen Holzterrasse. Ich versuchte, so etwas wie ein Zwischenfazit zu ziehen. Was weiß ich bis hierher über mein Schreibexperiment?

Auf jeden Fall ist es ein enormes Privileg, mit den Gedanken bei einer Geschichte bleiben zu können. Kein Stückwerk, kein mühsames wieder Hineinfinden nach Tagen oder gar Wochen, in denen ich keine Muße zum Schreiben hatte. 

Meine Befürchtung, gar nicht in eine Erholung zu kommen, hat sich nicht bestätigt. Ich bin jeden Tag gechillter und denke manchmal, das könnte mein Romanprojekt sogar gefährden. Zuweilen fühlt sich das Schreiben schon fast wie eine Pflicht an, die ich hinter mich bringen muss. Aber nur fast.

Womit ich wirklich kämpfe, ist mein literarischer Anspruch und ich denke, das wird der eigentliche Lerneffekt dieser Reise sein. Wenn ich bedenke, dass ich für eine Kurzgeschichte von maximal 10.000 Zeichen locker 10 bis 20 Stunden aufwende, bis sie wirklich so gut ist, dass ich bereit bin, sie einer Öffentlichkeit zu präsentieren, dann kann das hier nur ein Kampf mit Frustrationen sein. Aktuell habe ich ca. fünf Stunden für die doppelte Zeichenzahl. Und dann muss das auch noch in einen größeren Kontext passen. 

Es könnte mir ja völlig egal sein. Ich habe nach dieser Reise alle Zeit der Welt, so lange meine Formulierungen durchzukämmen, bis ich sie ganz großartig finde. Aber es wurmt meine Autorinnenseele, dass etwas so Unfertiges von mir überhaupt existiert. Zeitweilig bin ich total abgenervt von dem Wissen, dass da fünf Kapitel in Dateien vor sich hin dümpeln, die sich anhören, als würden sie aus einem Roman mit dem Titel „Julie weiß wo die Liebe wohnt“ oder „Ich gestehe“ stammen (beides aus der hiesigen Bibliothek hinterlassener Taschenbücher entnommen). 

Was habe ich mir gedacht? Dass ich nach zwei Wochen breit grinsend mit einem literarischen Hochglanzstück nach Hause reise und mich die Agenten und Verlage applaudierend am Bahnhof begrüßen? Nee, hab ich nicht. 

Und wenn diese Gedanken in mir die Oberhand zu gewinnen drohen, dann gehe ich zu den Pferden. Die wissen, worum es im Leben geht.