Tag 4 – Stormy Franzi
Mein letzter ganzer Tag in Ahrenshoop. Obwohl die Sonne scheint, ist es sehr windig. Das Meer viel aufgewühlter und das Gehen am Rand des Wassers schwieriger.
Als ich nach dem Frühstück wieder in mein Zimmer kam, hatte ich zum ersten Mal so ein Gefühl von Isolation und Befremdung. So richtig gesund ist das, glaube ich, nicht, was ich hier mache. Aber das Schreiben wird jeden Tag besser.
Heute ist Franzi meine Hauptprotagonistin. Ein 13-jähriges Mädchen, das aussieht wie ein Junge und alle psychischen Attribute der Pubertät vor sich her schiebt.
Am Vormittag tauche ich in ihre Erlebniswelt ein und gerate in einen Flow, der nicht weit von Bewusstlosigkeit entfernt ist. Ich vergesse den Timer, vergesse, dass meine Schulter von diesem völlig ungeeigneten Schreibtischchen hier weh tut und schreibe in einem Stück. Die Dinge passieren einfach vor meinem inneren Auge. Es sind Zwangsläufigkeiten, die ich nur ab und zu, wie mit einem Queue in die passende Handlungsrichtung stupse.
Auf einmal ist es Mittag. Wow! Ich kann mich kaum vom Rechner trennen, weiß genau, wie es weiter gehen wird, kann gar nicht so schnell schreiben, wie sich das Geschehen in meinem Kopf fortsetzt.
Trotzdem speichere ich alles ab und stehe auf. Ich muss an die Luft, mich bewegen und auch ein bisschen was einkaufen. Mittagessen zum Beispiel. Also Schuhe und dicke Jacke an und raus. Ich gehe über den Strand von Übergang 11 bis Übergang 15. Zum Glück habe ich den Wind im Rücken, denn das ist schon ziemlich doll, was da am Meer entlang bläst. Der Strand ist auch noch leerer als sonst.
Mir ist eigentlich alles egal, ich will nur schnell was zum Essen mitnehmen. Ich kaufe mir ein belegtes Brötchen. Dann kehre ich über die Straße zurück zu meinem Haus, biege kurz vorher noch zum Bäcker ab, hole mir ein Stück Zwiebelkuchen für das Abendessen und einen Kaffee-to-go.
Ab nach oben, das Brötchen verschlungen und schon wieder vor dem Rechner. Beim Essen lese ich, was ich heute bisher geschrieben habe. Es gefällt mir richtig gut.
Um zwei bin ich schon wieder mitten im Geschehen und schreibe stumpf durch bis 17 Uhr. Franzi und Jakob machen sehr erstaunliche Entdeckungen. Zum ersten Mal in meinem Roman wird es richtig spannend, sogar ein bisschen abenteuerlich. Ich frage mich, ob ich einen Jugendroman schreibe. Egal, weiter.
Um kurz nach fünf haue ich den Cliffhanger zum vierten Kapitel in die Tasten. Geil!
Eigentlich fange ich um fünf immer den Blog an, aber mein Gehirn fühlt sich an wie eine ausgepresste Zitrone und ich brauche jetzt irgendetwas aus dem realen Leben. Deshalb ziehe ich mich wieder an und gehe zum Strand.
Whoooo! Der Wind ist hier richtig stürmisch. Das Meer laut und weiß schäumend und der Himmel lilagrau. Ich will wenigstens bis Strandübergang 5 in Richtung Darß gehen. Leichter gesagt als getan. Das Laufen gegen den Wind ist Sport. Kein Mensch am Strand und einen Zentimeter über dem glattgefegten Boden fliegen ganze Teppiche aus Sand. Genau das, was ich jetzt brauche.
Ein aufmerksamer Blog-Leser hat angemerkt, dass er gerne wüsste, worum es in meinem Roman eigentlich geht. Ob das ein Thriller ist oder ein Krimi oder ein Liebesroman. Tja – hm – alles irgendwie nicht und doch.
In meiner Villa geht es um Geheimnisse. Um Menschen, die (wie übrigens alle Menschen, meiner Überzeugung nach) ihr Leben um ihre Geheimnisse herum bauen, oder Mauern aus Geheimnissen um ihr Leben bauen. Je nachdem.
Es geht um dieses morphische Feld, das unweigerlich irgendwann entsteht, wenn sich die Energien von Geheimnissen verdichten und wie schwarze Löcher die Energien der Geheimnisse anderer anziehen. Bis das Ganze dann eines Tages wie so ein Geysir ausbricht, hochschießt und nicht mehr zu kontrollieren ist.
Darum geht es. Mal so grob gesagt. ;-)